Nach all den Jahren als Coach gibt es wenig, was einen noch so wirklich auf die Palme bringen kann. Ein vergeigter Handoff, also eine Ballübergabe vom Quarterback an einen Runningback, gehört definitiv dazu.
Man muss sich hierzu vor Augen führen, dass Flag Football gegenüber dem American Football sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Vorteil ist sicherlich, dass ein solcher „Fumble“ im Flag Football sofort zu einem Dead Ball, also dem Ende des Spielzugs, führt. Der Ball kann nicht von der Defense aufgenommen und zurück getragen werden. Das ist gut. Aber während das Laufspiel im American Football immer wieder eingestreut wird und mit einer guten Offensive Line immer wieder Lücken für Runningbacks entstehen, sind reine Laufspielzüge im Flag Football selten.
Zu einfach ist es für eine gegnerische Defense, sich darauf einzustellen und mit dem gesamten Personal den Spielzug zu stoppen. Also arbeitet man in der Offense vielmehr mit Run-Pass-Options und Double Handoffs, setzt die Defense also immer mit „Double Threats“ durch gleichzeitige Lauf- und Passoptionen unter Druck. Es wäre für die Defense zu gefährlich, sich sofort auf den Runner zu stürzen – denn solange dieser sich noch hinter der LoS befindet, kann er immer noch auf einen freien Receiver passen. Handoffs führen zu Verschiebungen in der Zuständigkeit der Defense-Spieler:innen. Geht der Blitz nun auf den RB? Oder bewacht er den QB, der nun auch Pässe fangen darf? Welche:r Spieler:in übertritt nun die LoS und setzt den RB unter Druck, verhindert einen Pass oder stoppt den Lauf?
All dies macht das Laufspiel zu einer attraktiven Option. Dennoch würde ich schätzen, dass ein Handoff nur einmal pro Drive vorkommt. Und wenn er dann schief geht, flippt man als Coach an der Seitenlinie aus. Denn dann hat man nicht nur ein Down völlig sinnlos verschwendet, die Defense ist nun auch „wach“ und wird sich beim nächsten Versuch nicht so leicht überraschen lassen.
Daher: Handoffs müssen klappen. Immer! Sie sind das kleine Einmaleins im Flag Football, oder wie man im Football-Slang sagt „bread and butter“. Für Runningbacks gelten dabei folgende Grundlagen:
- Der Quarterback wird mit einem vorbereiteten „Breadbasket“ angelaufen. Das bedeutet, dass der Arm, der näher am QB ist, gerade auf Brusthöhe mit der Handfläche nach unten an den Oberkörper gedrückt wird. Insbesondere der Ellenbogen muss ausreichend hoch gehalten werden. Der andere Arm wird umgekehrt knapp unter dem Bauchnabel mit der Handfläche nach oben an den Bauch gedrückt, sodass ein Körbchen für den Ball entsteht. In diesem Video wird das sehr gut demonstriert: https://www.youtube.com/watch?v=LSR_zvbVENY
- Die Augen sind auf den Ball gerichtet. Erfolgt die Übergabe, greift der RB sicher zu. Erst dann orientiert er sich auf dem Feld in die beste Laufzone. Ist ein RB im späteren Verlauf ausgezeichnet und sicher im Handoff, kann die Orientierung natürlich auch vorher erfolgen. Aber gerade in den Anfängen (und selbst in der NFL) ist der fehlende Fokus auf den Ball ein beliebter Fehler.
- Täuscht der QB die Übergabe nur an, ist es die Aufgabe des (verhinderten) Runningbacks, einen optimalen Fake zu verkaufen. Er schließt also das „Körbchen“ so, als wäre der Ball auf jeden Fall darin, beugt den Oberkörper zusätzlich nach vorne und gibt Vollgas. Touchdowns aufgrund einer Defense, die voll auf einen guten Fake herein gefallen ist, sind für einen Offense-Coach immer ein besonderes Highlight!
Für Quarterbacks wiederum gilt:
- Es gibt zwei mögliche Handhaltungen und QBs müssen selbst entscheiden, welche sie präferieren. Bei der einen wird der Ball mit beiden Händen seitlich gehalten. Im Moment der Übergabe wird die Hand, die näher am RB ist, weggezogen, und mit der verbliebenen Hand wird der Ball in das Körbchen gedrückt. Bei der anderen sind die Hände oben und unten am Ball und werden zugleich weggenommen, wenn der Ball sicher beim RB gelandet ist. Beide Haltungen haben ihre Vor- und Nachteile, man muss es einfach ausprobieren.
- Auch wenn der QB den Ball übergibt, tut er danach auf jeden Fall so, als hätte er ihn weiter und würde einen Pass vorbereiten. So kann sich die Passverteidigung nicht zu schnell sicher sein und auf den Lauf einstellen.
- Fake-Übergaben werden wiederum oft viel zu halbherzig ausgeführt. Dann kosten sie einfach nur Zeit, über die sich der Blitz freut. Gute Fakes wollen trainiert und mit einem perfekten Pokerface verkauft werden. Dann öffnen sie bestenfalls Zeit und Raum für besonders schöne Touchdown-Pässe.